Kickstarter kann mehr als 105.000 erfolgreich finanzierte Kampagnen vorweisen. Dafür benötigte Kickstarter selbst fast sieben Jahre. Man könnte sagen, der Dienst hat sich fest etabliert. Das sieht man auch an der Beschleunigung, die auf der Plattform kickstarter.com stattfand. 2008 benötigten die ersten 100 Projekte noch 121 Tage, um ausreichend Geld bei den Nutzern einzusammeln. Inzwischen finanzieren sich alle drei Tage mehr als 100 Projekte. Dabei findet nur etwa jedes dritte Projekt ausreichend Unterstützer. Insgesamt sammelte Kickstarter gut 2,4 Milliarden US-Dollar für Projekte ein. Aber um was geht es eigentlich?
Kickstarter: Geld für Ideen
Kickstarter ist ein neuartiges Finanzierungsmodell für die Umsetzung von kreativen Projekt-Ideen. Verglichen mit herkömmlichen Finanzierungen über die Hausbank, einem Verlag für Buch, Film oder Musik sowie einen gönnerhaften Mäzen oder spekulierendem Venture-Kapital gibt es niedrigere Zugangsvoraussetzungen beim Crowdfunding und somit auch einfachere Möglichkeiten, Ideen überhaupt verwirklichen zu können.
Unabhängig von Herkunft, Erfahrung und Werdegang können sich Menschen mit Ideen erfolgreich finanzieren und ihre Ideen umsetzen.
Die bekannteste Form der kollektiven Finanzierung ist das Crowdfunding. Interessenten sichern ihre Unterstützung zu für vorgestellte Produkte oder Projekte und beteiligen sich auch finanziell, wenn das Projekt realisierbar wird, weil sich ausreichend Interessenten gefunden haben, so dass genügend Geld zusammenkommt, um das Projekt zu finanzieren.
Crowdinvesting ist eine Sonderform des Crowdfunding, denn es werden junge Unternehmen – so genannte Startups – finanziert. In der Regel handelt es sich um Darlehen, die den Investor am Unternehmen beteiligen und die vom Unternehmen verzinst werden. Während für das Unternehmen eine Finanzierung abseits oder ergänzend zur Hausbank möglich ist, besteht für den Investor das Risiko des Totalverlustes.
Dabei gibt es kaum etwas, was Kickstarter noch nicht hervorgebracht hat. Tausende Projekte wurden erfolgreich umgesetzt. Darunter befinden sich Oscar-prämierte Filme, Spiele, Computerspiele und Musik, die den Grammy gewann, sowie jede Menge nützliches, intelligentes oder originelles Zubehör für das iPhone und so manches technisches Gadget bis hin zur Oculus Rift VR-Brille, die noch vor Auslieferung des Produktes von Facebook gekauft und übernommen wurde. Die meisten Projekte bei Kickstarter sind im kreativen Bereich angesiedelt. Es handelt sich etwa um Kunstdrucke oder Comics.
In den USA gilt das im Crowdfunding eingesammelte Kapital als Einkommen und wird auch steuerlich so behandelt. In Deutschland ist es etwas komplizierter und in der Gesetzgebung ist keine Verbesserung in Sicht. Im Gegenteil: Steuerlich werden Start-Ups neue Steine in den Weg gerollt.
Um Start-Ups in Deutschland bessere Bedingungen bieten zu können, hatten CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag eine ganze Reihe an Gründer-freundlichen Maßnahmen angekündigt. Zentrales Element sollte ein neues Wagniskapitalgesetz werden, das für junge Unternehmen den Zugang zur Finanzierung verbessern und Steuererleichterungen für die Geldgeber bringen sollte. Als Investmentsteuerreformgesetz sollten vorteilhafte Bedingungen für Startups und Startup-Investitionen festgeschrieben werden.
Dieses Gesetz scheitert bislang am Widerstand von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Das Bundesministerium der Finanzen schrieb kürzlich einen Bestandsschutz für die alten Regelungen bis zum 31. Dezember 2017 fort. Damit vertagt sich die große Koalition auf die Zeit nach den nächsten Wahlen.
Kickstarter kann man am besten erklären, wenn man sich anschaut, was auf der Plattform passiert. Am Anfang steht meistens eine Idee, der es – wie den meisten guten Ideen – an Geld fehlt, um umgesetzt zu werden. Kickstarter bietet nun eine Plattform, auf der diese Ideen vorgestellt werden können und vermittelt potenzielle Interessenten, die bereit sind, diese Idee finanziell zu unterstützen, wenn sich ausreichend andere Interessenten finden, die diese Idee ebenfalls unterstützen. Im Prinzip sieht es nach einer typischen Win-Win-Situation aus: Jemand kann vergleichsweise einfach Geld einsammeln für eine gute Idee, ein neues Produkt oder ein tolles Projekt. Die Unterstützer helfen einer guten Idee zur Marktreife und zahlen erst, wenn hinreichend andere Interessenten sich bereit erklärt haben. Zumeist wird man bei Kickstarter und anderen Crowdfunding-Plattformen als einer der ersten Kunden mit dem unterstützen Produkt beliefert oder bekommt exklusiven Zugang zu einen Projekt. Auf den ersten Blick finanziert man ein sicheres Ding.
Kickstarter ist die größte und bekannteste Plattform für Crowdfunding. Doch es gibt Alternativen und Spezialisten, die Geld und Unterstützung einsammeln.
Betterplace.org bezeichnet sich selbst als Deutschlands größte Spendenplattform. Man hilft sozialen Projekten, im Internet Spenden zu sammeln und weitere Unterstützer zu finden.
Startnext.de ist die größte klassische Crowdfunding-Plattform im deutschsprachigen Raum. Künstler, Kreative, Erfinder und Social-Entrepreneure haben die Möglichkeit, ihre Ideen und Projekte vorzustellen und mit der Unterstützung von vielen Menschen zu finanzieren.
Thematisch spezialisiert haben sich Plattformen wie writethatdown.de (unabhängiger Journalismus), sciencestarter.de (Wissenschaft) und 100fans.de (Buchautoren) sowie musicstarter.de (Plattenvertrag für Musiker) und fairplaid.org (Sportförderung).
Daneben gibt es noch zahlreiche lokale Plattformen etwa für Hamburg (nordstarter.org) oder Dresden (dresden-durchstarter.de) sowie Rostock (rostock-republic.de). Zudem entdecken Firmen, Banken und sogar Kirchen das Crowdfunding für sich. Beispiele sind Degussa, und Volksbanken Raiffeisenbanken sowie die Evangelische Schulstiftung.
Mächte des Marketing
Im Prinzip genügt bei Kickstarter eine Präsentation. Vielfach wird mit einem Video gearbeitet, in dem die Initiatoren sich und ihre Idee kurz vorstellen und versprechen, die Idee erfolgreich umzusetzen. Durch den vergleichsweise einfachen Zugang zu Kickstarter dauerte es nicht lang, bis Marketing-Abteilungen von Firmen die Plattform für sich entdeckt haben. Kickstarter legt lediglich fest, dass man irgendwas produzieren muss. In seiner Präsentation sollte man einen funktionierende Prototypen vorzeigen können. Illegale Gegenstände, finanzielle Anreize und gemeinnützige Zwecke sind ausgeschlossen.
Was jedoch nicht verboten ist, ist die Markteinführung für bereits anderweitig finanzierte Produkte über Kickstarter laufen zu lassen. Kickstarter kann im so genannten Growth-Hacking für entsprechende Reichweite sorgen. Zudem kann man über das Marketing die Produkteinführung steuern. Bevorzugte Produktausstattungen lassen sich gut abfragen, und wenn es nur darum geht, in welcher Farbe ein Produkt am beliebtesten ist. Preiswerter als über Kickstarter kann man seine Marktforschung kaum betreiben. Immerhin behält Kickstarter eine Gebühr von fünf Prozent der Gesamtfinanzierung ein und lässt sich jede Transaktion von Unterstützern noch einmal mit einen Anteil von 3 Prozent und einer Gebühr von 20 Cent vergüten.
Volles Risiko
Dennoch gibt es auch bei perfekt präsentierten Projekten auf Kickstarter einige Risiken, von denen die verspätete Lieferung noch das kleinere Übel ist. Man kann sein Geld komplett verlieren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mal liegt es am Projekt, mal an den beteiligten Personen, mal an den Prozessen, die für das Produkt anzulegen sind.
In einer unabhängigen Analyse hat sich Kickstarter von der University of Pennsylvania einen umfangreichen Bericht erstellen lassen, der sich mit dem unangenehmen Thema des Scheitern auseinander setzt. Diese Ergebnisse gelten nur für Kickstarter, denn in den Bereichen von Crowdinvesting und Crowdlending gelten andere Risiken. Diese Formen der Finanzierung finden zwar auch auf Online-Plattformen statt, sind aber nicht mit dem klassischen Crowdfunding von Kickstarter vergleichbar.
Inzwischen ist Kickstarter längst nicht mehr nur eine Plattform für Menschen mit coolen Ideen aber zu wenig Geld, sie selbst umzusetzen. Für eine Vielzahl von Produkten – zumindest aus bestimmten Branchen – gehört es heutzutage fast schon zum guten Ton, sich eine Anschubfinanzierung über Kickstarter oder eine alternative Plattform zu organisieren.
Spiele sind so ein Beispiel: Brettspiele erleben gerade in den USA und besonders dank Kickstarter eine wahre Renaissance. Gleich mehrfach im Monat findet man auf Kickstarter „Boardgames“ mit entweder einem völlig neuen Denk- und Spielansatz oder solche, die bereits bekannte, vielleicht aber sogar vergessene, Ansätze neu beleben. Übertrumpft werden diese allerdings eindeutig von der Masse an Computer-Spielen, die über Kickstarter finanziert werden.
Ähnlich wie es eigentlich schon immer ein Prädikat für Musik war, wenn von einem Indie-Label verlegt wurde, scheint es jetzt ein Prädikat zu sein, wenn man auf sein Produkt schreiben kann, dass es durch Crowdfunding ermöglicht wurde.
Wer bei Kickstarter ein Projekt unterstützt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass etwa jedes zehnte erfolgreich finanzierte Projekt doch zum finanziellen Reinfall wird und das versprochene Produkt nicht wird liefern können. Selbst bei besten Absichten der Unternehmer kann ein Projekt scheitern, weil es in seiner Komplexität zuvor nicht erkannt wurde oder weil im Projektverlauf neue Probleme aufgetaucht sind, die zuvor nicht abschätzbar waren. Etwa 65 Prozent aller Kickstarter-Projekte bleiben im ursprünglich geplanten Zeitplan. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass etwa jedes dritte Projekt zeitlich aus dem Rahmen läuft und man als Unterstützer auf das Ergebnis warten muss.
9 Prozent aller Projekte scheitern
Jeder kann scheitern
In den 15 Projekt-Kategorien bei Kickstarter kommt es gleichmäßig zu Ausfällen. In den Bereichen Film und Technik scheinen sich die Ausfälle zu häufen, obwohl es statistisch keine großen Abweichungen gibt. Am häufigsten scheitern übrigens Projekte, die mit weniger als 1000 US-Dollar erfolgreich finanziert wurden. Bei 14 Prozent liegt ihre Quote. Große Projekte, die mehr als 250.000 US-Dollar oder mehr als 500.000 US-Dollar einsammelten, scheitern zu acht beziehungsweise neun Prozent und bewegen sich innerhalb der statistischen Range. Am zuverlässigsten werden Ideen umgesetzt, die mit 10.000 bis 50.000 US-Dollar ausgestattet wurden. In diesem Bereich liegt die Fail-Quote bei sieben Prozent. Am zuverlässigsten sind übrigens Comics, bei denen lediglich die Druckkosten zu finanzieren sind.
Herbe Enttäuschung
Wer von einem Projektverlauf enttäuscht wurde, mag zunächst einmal ernüchtert sein von seiner Begeisterung für Kickstarter und Crowdfunding.
Dies findet Kickstarter in der wissenschaftlichen Untersuchung bestätigt. Jeder vierte nimmt zwar vom Crowdfunding Abstand, aber näherungsweise 73 Prozent der Unterstützer, die in gescheiterte Projekte investierten, würden künftig andere Projekte unterstützen.
Jedoch nicht einmal jeder fünfte (19 Prozent) würden dem selben Projektverantwortlichem noch einmal seine Unterstützung zusichern.
Nicht jedes gescheiterte Projekt ist ein Totalausfall. Bei Kickstarter etabliert sich eine Kultur der offenen Kommunikation, die von Transparenz und Fairness geprägt ist. 15 bis 20 Prozent der verunglückten Projekte werden von den Verantwortlichen trotzdem gut gemanagt.
Sie schaffen es immerhin, 17 Prozent ihrer Unterstützer verständlich zu vermitteln, warum gerade dieses Projekt gescheitert ist. In 13 Prozent der Fälle bekommen die Unterstützer anstelle der ursprünglich zugesagten Projekt-Prämie eine andere Form der Kompensation angeboten. Es gab auch schon gescheiterte Projekte, in denen ein Teil der Unterstützung zurückgezahlt wurde.
Kein Online-Store
Als Community kann Kickstarter sicherlich damit leben, dass neun Prozent der Projekte trotz erfolgreicher Finanzierung nicht erfolgreich abgeschlossen werden können. Denn Kickstarter versteht sich als Plattform für Ideen. Große Ideen, kreative Ideen und auch abgedrehte Ideen. Allesamt Ideen, die es verdienen, umgesetzt zu werden. Darunter können sich Ideen befinden, die zum Scheitern verurteilt sind. Denn trotz alledem ist Kickstarter kein Online-Store, in dem man eine Sammelbestellung aufgibt. Manchmal zahlt man auch einfach nur das Lehrgeld für eine Idee, an die man geglaubt hat.
Kickstarter.com
Start: 2009
November 2012: Expansion nach Europa (UK)
Mai 2015: Projekte aus Deutschland möglich
Bei erfolgreicher Finanzierung behält Kickstarter eine Provision von 5 Prozent auf die Gesamtsumme und noch einmal zwischen drei bis fünf Prozent Gebühren für die Abwicklung der Zahlungen. Finden sich nicht ausreichend Unterstützer, gibt es keine Gebühren.
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