Die lieben Kleinen nutzen tagtäglich Mamas und Papas Geräte oder gar eigene Hardware. Und in vielen, nein: fast allen Fällen weiß der durchschnittliche Dreizehnjährige mehr mit iPhone, iPad und MacBook anzufangen als die Erziehungsberechtigten sich in ihren kühnsten Träumen vorstellen können. Stellt sich die Frage: was wissen Sie eigentlich über die rechtliche Verantwortung? Über die ihres Nachwuchses. Und ihre eigene? Der Kolumnist traut sich aufgrund seines eigenen beruflichen Hintergrundes zu, hier eine Prognose abzugeben. Sie wissen wahrscheinlich etwa das Folgende: Erstens – wenn einer was ausgefressen hat, dann kommt die Polizei. Zweitens – wenn einer unter 14 Jahren alt ist, kommt die Polizei nicht. Drittens: Eltern haften für ihre Kinder.
Die obigen drei Punkte stellen etwa den Querschnitt dessen dar, was sich mir tagtäglich an Rechtskenntnissen der Rechtsuchenden präsentiert. Diese möchte ich im Folgenden substantiell erweitern.
Beginnen möchte ich mit einem aus dem Leben gegriffenen Fallbeispiel: Das Amtsgericht Charlottenburg verurteilte jüngst einen Jugendlichen zu 1.000 € Schmerzensgeld. Der kleine Racker hatte Nacktfotos, die er von seiner kleinen Freundin per WhatsApp erhalten hatte, an Dritte im Freundeskreis weitergegeben. Zum Zeitpunkt der Tat war er 13 Jahre alt. Wir subsumieren kurz unter unsere vorhin aufgestellten Grundregeln und kommen zu dem Ergebnis: Die Rechtsprechung stimmt mit dem dort präsentierten Wissen nur sehr bedingt überein. Jedenfalls scheint es aber nicht auszureichen: Denn zwar kam die Polizei tatsächlich nicht, aber am Ende wurde es für den Jugendlichen trotzdem teuer. Und seine Eltern hafteten auch nicht „für“ ihn. Was sie begrüßt haben mögen.
Der Grund, warum dieses Ergebnis nicht so recht in den populären Rechts(irr)glauben passen möchte, liegt darin, dass in diesem Irrglauben die Polizei eine tragende, wenn nicht alles entscheidende Rolle spielt. Dies tut sie in der Realität der Persönlichkeitsrechtsverletzungen und der Verletzungen geistigen Eigentums (Urheberrecht!) allerdings nicht. Das liegt prinzipiell an drei Aspekten. Die Strafandrohung für Delikte aus diesem Bereich ist vergleichsweise gering. Der Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaften ebenfalls. Die Verfolgung von zivilrechtlichen Ansprüchen gegen den Schädiger ist oft viel effektiver. Und teurer. Und damit viel schmerzhafter für den Schädiger, als es eine jugendstrafrechtliche Verwarnung nach zweieinhalb Jahren Verfahrensdauer je sein könnte.
Wenn aber die Polizei keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, wie sieht es dann mit der magischen Altersgrenze, der so genannten „Strafmündigkeit“ mit 14 Jahren aus? Sie ahnen es: Auch die mag beim guten alten Ladendiebstahl das Maß aller Dinge gewesen sein. In unserem Bereich, gerade wenn es um „Cybermobbing“ und Ähnliches geht, ist sie es nicht. Denn die Antwort auf die in der Praxis viel wichtigere Frage danach, ob sich Unterlassungs-und Schadensersatzansprüche auch gegen Jugendliche richten können, richtet sich eben nicht nach einer starren Altersgrenze. Jedenfalls dann nicht, wenn der Jugendliche über sieben Jahre alt ist. In diesen Fällen entscheidet gemäß § 828 BGB die „Einsichtsfähigkeit“ des Jugendlichen darüber, ob er für seine Taten zivilrechtlich geradestehen muss. Und diese bemisst sich nach dem konkreten Sachverhalt, um den es geht. In unserem Fall: Der 13-Jährige wusste, wie wohl auch die meisten seiner Altersgenossen, sehr genau, welche sozialen Folgen das Herumzeigen der ihm vertraulich überlassenen Fotos für die Geschädigte haben würde. Dem folgte seine rechtliche Verantwortlichkeit, hinsichtlich des Schmerzensgeldes und darüber hinaus auch hinsichtlich der Kostentragungspflicht für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten.
Daraus folgt zweierlei: der typische 13–jährige Klassenrabauke kann sich entgegen landläufiger Meinung beim Mobbing nicht entspannt zurücklehnen und auf seine „Strafunmündigkeit“ bauen. Entgegengesetzt sollten und müssen sich Betroffene, die sich gegen solche Dinge wehren möchten, auch nicht unbedingt auf den „bürgernahen Beamten“ verlassen.
Stephan Dirks ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in der Kanzlei DIRKS.LEGAL mit Sitz in Hamburg und Kiel. Web:http://www.dirks.legal
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