CarPlay tritt auf der Stelle – ein Kommentar

Bereits vor über zwei Jahren, auf der World Wide Developer Conference im Juni 2013, hat Apple seine Auto-Integration CarPlay präsentiert. Damals noch unter dem Namen „iOS in the Car“. Wirklich los ging es rund neun Monate später auf der Geneva Motor Show – mit dem neuen und bis heute aktuellen Namen CarPlay. Abgesehen von dem tatsächlichen Produktstart ist seit der Ankündigung allerdings wenig passiert. CarPlay scheint auf der Stelle zu treten.

Von   Uhr
4 Minuten Lesezeit
Grundsätzlich ist CarPlay ein mehr als verheißungsvoller Ansatz. Endlich eine moderne und leicht zu bedienende Nutzeroberfläche, gepaart mit all den Vorzügen, die so ein iPhone eben mit sich bringt. Zum Beispiel Telefonie, Navigation, Musik oder auch iMessage. Für ein wirklich tolles Nutzererlebnis ist das allerdings zu wenig.
 

Was da ist, funktioniert

Zugute halten muss man Apple, dass die Funktionen, die in CarPlay integriert sind praktisch immer tadellos ihren Dienst tun. Ich selbst nutze CarPlay seit der ersten Stunde und möchte viele Funktionen in einem Auto nicht mehr missen. Etwa den bequemen Zugriff auf meine Musik-Datenbank oder das immer wieder erstaunlich gut funktionierende Diktieren von Kurznachrichten während der Fahrt. Zumindest bei privaten Nachrichten oder Nachrichten an Kollegen vertraue ich Siri dabei inzwischen blind. Lediglich bei wichtigen oder offiziellen Nachrichten an beispielsweise Geschäftspartner fahre ich nach wie vor lieber rechts ran und kontrolliere Siri noch ein mal mit den Augen und nicht nur mit den Ohren.
 

Wenig Neues

Seit dem Start von Apple CarPlay ist jedoch wenig neues hinzugekommen. Ja, mit Overcast gibt es jetzt auch eine Podcast-Player-App von einem unabhängigen Entwickler. Und, ja, auch Audible oder At Bat, eine App der amerikanischen Baseball-Liga MLB, Major League Baseball, haben es in das CarPlay-System geschafft. Wann aber öffnet Apple das System endlich komplett, oder zumindest weitestgehend für alle App-Anbieter und nicht nur für ein paar ausgewählte Kandidaten?
 

Sicherheitsbedenken - zurecht!

Es ist dabei vollkommen klar, dass Apple nicht jeder App den Zugang zu CarPlay gewähren kann, darf und sollte. YouTube wäre ein ganz klarer Kandidat für die Streichliste. Filmegucken während des Fahrens? Geht gar nicht. Da herrscht sicherlich breiter Konsens. Was aber ist mit Apps von Mitfahrzentralen wie Flinc? Warum kann mir die heute-App die Eilmeldungen nicht auch ins Auto pushen – meinetwegen auch nur akustisch? Warum gibt es iMessage in CarPlay, aber nicht Threema oder WhatsApp?
 
 

Anständige Navigation, jetzt!

Der größte Pferdefuß an CarPlay ist aktuell allerdings, dass Apps wie Navigon nicht mitmachen dürfen. Apples Karten-App genügt für kurze Strecken, oder auf Touren, deren Weg man im Prinzip kennt, sich aber hier oder da noch einmal absichern möchte. Apples Karten-App nagt allerdings kontinuierlich am Datenvolumen, da sie keinen Offline-Modus, wie so manch andere Navi-Lösung bietet. Zwar ist die App recht sparsam, bei den besonders in Deutschland für gewöhnlich viel zu knapp bemessenen Inklusivdaten-Volumina macht sich aber auch das bemerkbar.
 
 
Noch untragbarer wird die Situation bei Auslandsreisen. Daten-Roaming ist selbst innerhalb der EU immer noch unsagbar teuer und eigentlich ist die pure Existenz von Roaming-Kosten innerhalb der EU eine Frechheit. Zugegeben: Dafür kann Apple nun wirklich nichts. Es ist aber ein Umstand, der den Leidensdruck in Sachen CarPlay weiter erhöht. Ein nur unzureichender Mittelweg ist die Nutzung der im Auto integrierten Navigationssoftware. Unabhängig vom Hersteller sind diese Systeme nach wie vor deutlich schlechter bedienbar als es Smartphone-Apps schon längst sind.
 
 
Auch das Update des Kartenmaterials stellt ein Problem dar: Während man bei Apps wie Navigon (zumindest als zahlender Kunde) regelmäßig vier Mal im Jahr ein Update des gesamten Kartenmaterials mehr oder minder automatisch erhält, muss man bei entsprechenden Navigationssystem-Lösungen nach wie vor umständlich Daten auf eine DVD brennen und diese dann auf dem Gerät einspielen. Das Problem beginnt hier schon beim Brennen einer DVD. Mit einem auch nur halbwegs modernen Mac ist das nicht möglich – der verfügt nämlich überhaupt nicht mehr über ein CD-/DVD-Laufwerk. Eine zeitgemäße Lösung wäre daher eine App auf dem iPhone, die die Kartenupdates herunterlädt und dann beim nächsten Anschluss an das Navigationssystem an dieses übergibt. Davon sind wir allerdings anscheinen noch weit entfernt.
 

Mr. Cook, tear down this Zulassungsbeschränkung!

Es ist höchste Zeit, dass Apple zumindest für Navigationslösungen namhafter Hersteller die Tore zu CarPlay öffnet. Besonders Anbieter wie TomTom oder Navigon haben ein ureigenes Interesse and Konformität mit den jeweiligen Straßenverkehrsordnungen. Zumindest hier sollte sich Apple offener Zeigen.
 
Aber was ist die Lösung bis dahin? Für mich besteht sie ganz klar in einem zweigeteilten Weg. Für kurze Strecken setze ich vollumfänglich auf CarPlay, inklusive der Navigation mit Apples Karten-App und platziere das iPhone in einer Ablage außerhalb des Sichtfeldes. Für längere Strecken nutze mein CarPlay-fähiges Navigationssystem nicht mehr als CarPlay-Gerät. Zwar lasse verbinde ich das iPhone weiterhin per Kabel mit dem Gerät, allerdings nur zur Übermittelung von Audio-Signalen und gleichzeitigem Laden. Das iPhone kommt derweil in die noch aus der Vor-CarPlay-Zeit vorhandene Kfz-Halterung, und ich lasse mich von der Navigations-App meiner Wahl zum Reiseziel lotsen.
So ernüchternd es auch ist: Besonders dort, wo CarPlay am sinnvollsten sein könnte, nämlich auf längeren Trips, ist es aktuell am nutzlosesten.
 

Mehr zu diesen Themen:

Diskutiere mit!

Hier kannst du den Artikel "CarPlay tritt auf der Stelle – ein Kommentar" kommentieren. Melde dich einfach mit deinem maclife.de-Account an oder fülle die unten stehenden Felder aus.

Guter Artikel, aber bei den In-Car-Navigationslösungen bin ich anderer Meinung. Bei meinem System (TomTom/Renault) stecke ich eine SD-Karte in den Mac und keine CD ins Auto. Das war wirklich gestern.

Andererseits habe ich diese Navigationssoftware auch auf dem iPhone mit einem Riesenvorteil: Bereits bei mittleren Strecken kann ich auf Selbstversorgung umsteigen und mir auf dem iPhone ein Spiegelei braten, so heiss wird das Ding.

Und, da bin ich völlig einer Meinung mit dem Autor, Daten für Navigationskarten unterwegs nachzuladen ist heute im In- wie im Ausland ein zu teures Vergnügen. Deshalb bleibe ich auch als ausgewiesener Apple-Fan beim Navigationssystem, das fest in meinen Wagen installiert ist. Das iPhone an Bord kümmert sich um Musik und Telefonate.

Habe das Gefühl, die Autoherstellers treten auf der Stelle, und nicht CarPlay. Vielleicht mögen die Autohersteller sich nicht von ihren eigenen Kreationen trennen – bei denen ich mich frage, ob damit ein Straftatbestand erfüllt wird. GUI-Abgründe.

Die Kommentare für diesen Artikel sind geschlossen.