Leistungsfähiger Editor zur Intonationskorrektur

Test: Celemony Melodyne Editor

Manchmal ist eine Vokalaufnahme so gelungen, dass man sie nur wegen ein paar schiefer Noten ungern neu einsingen möchte. Jetzt kommt ein Helfer wie Melodyne zum Einsatz, der nicht nur krumme Töne geradebiegt, sondern nun auch Akkorde versteht und weitreichende Eingriffe in die musikalische Struktur erlaubt.

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Installation

Der Melodyne Editor, der als erstes Programm der Melodyne-Serie über die DNA-Technologie verfügt, kann wahlweise innerhalb eines Sequenzers als VST-, AU- und RTAS-Plug-in betrieben oder als eigenständiges Programm gestartet werden. Einziger Unterschied zwischen beiden Varianten ist die Art, wie Audiospuren ihren Weg in den Editor finden: Während sich die Stand-alone-Version des Laden-Speichern-Dialogs bedient, erfolgt das „Überspielen“ aus der Audioworkstation mithilfe einer Transferfunktion. Die zu bearbeitende Spur wird einmal abgespielt und von Melodyne intern aufgenommen. Obwohl also in den Spurinsert geladen, lässt sich das Plug-in aufgrund des aufwändigen Analyseprozesses nicht als Echtzeiteffekt im herkömmlichen Sinne nutzen. Auch beim Kopierschutz bietet Celemony zwei Varianten an: Das Programm wird entweder auf maximal zwei stationären Rechnern betrieben oder auf einem iLok-Dongle autorisiert. Letzteres bietet die Möglichkeit, die Software an wechselnden Arbeitsplätzen oder sogar unterwegs nutzen zu können. Die eigentliche Installation ist nach der Auswahl von Heim- und VST-Verzeichnis mit wenigen Klicks erledigt.

Schnelldurchlauf

Beat-Lesern dürfte Melodyne nicht mehr ganz unbekannt sein. Oft genug haben wir mit den Entwicklern gesprochen und die Möglichkeiten dieser ungewöhnlichen Software in Tests und Workshops gewürdigt. Bevor wir uns aber den faszinierenden Neuerungen der DNA-Technologie widmen, werfen wir einen schnellen Blick auf das Gesamtkonzept.

Genau betrachtet ist Melodyne ein einfacher Noteneditor, wie man ihn als „Piano-Roll“ aus unzähligen Sequenzern kennt. Der größte Unterschied: Das Programm arbeitet nicht mit MIDI-, sondern mit Audionoten, die nach der Dateianalyse als sogenannte Blobs auf einer Zeitachse angeordnet werden. Hier kann der Anwender nun einzelne Noten, Strophen oder auch den gesamten Song bearbeiten, also beispielsweise die Tonhöhe, Tonlänge oder Phrasierungen verändern und aus dem Ursprungsmaterial sogar völlig neue Tonfolgen zusammenstellen.

Zeit und Tonhöhe eines Songs sind in Melodyne zwei unterschiedliche Parameter, die sich getrennt voneinander bearbeiten lassen. Weil man die für Stimmen charakteristischen Betonungen im Spektrum, also die Formanten, separat verschieben kann, realisiert man mit wenigen Klicks auch extreme Tonhöhenveränderungen, ohne auf einen natürlichen Klang zu verzichten. Mit Melodyne kann man neben Stimmen natürlich auch Instrumentenspuren bearbeiten und sogar die Rhythmik und Tonfolge von einer Spur auf eine andere übertragen. So entstehen neben perfekt intonierten Gesangsparts beispielsweise auch Overdubs oder korrekt singende Kinderstimmen.

Werkzeuge …

Besondere Editiermöglichkeiten erfordern auch ausgefeilte Werkzeuge. Klar also, dass auch der Melodyne Editor neben den üblichen Bearbeitungsfunktionen wie Kopieren, Einfügen, Löschen und Verschieben, die alle mit dem Hauptwerkzeug bewältigt werden, eine Menge spezialisierter Funktionen für das kreative Arbeiten mit dem Material zur Verfügung stellt.

Die größte Rolle dabei dürfte das Tonhöhenwerkzeug spielen, schließlich ist das Korrigieren falsch gesungener oder gespielter Noten oder das Transponieren ganzer Phrasen eine der Hauptanwendungen des Programms. Mit seiner Hilfe lassen sich einzelne Audionoten nicht nur in Cent oder Halbtönen verschieben, sondern auch die tonalen Verbindungen, also die Übergänge zwischen den Noten, beeinflussen. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Werkzeuge zum Korrigieren von Modulationen, meist als Triller oder Vibrato wahrgenommen, und Drift. Letzteres bezeichnet die oft unbeabsichtigten Schwankungen in der Stimme, die durch eine unsichere Intonation entstehen. Weil das menschliche Ohr auf solche Schwankungen besonders sensibel reagiert, erlaubt Melodyne Editor hier eine besonders subtile Einstellung: einfach mit der Maus in die entsprechende Note klicken und langsam nach oben oder unten ziehen. Im Handumdrehen verstärkt man bewusst gesetzte Vibratos oder bügelt stimmliche Unsicherheiten glatt.

… und Formanten

Formanten prägen die Farbe oder das Timbre eines Klang. Diese Betonungen oder Abschwächungen im Frequenzspektrum sind quasi der Fingerabdruck eines Instruments oder einer Stimme und zum Beispiel dafür verantwortlich, dass ein Klavier eben wie ein Klavier klingt. Denn Formanten sind von der Tonhöhe unabhängig. Daraus ergibt sich natürlich ein enormes kreatives Potenzial. Lässt man, wie allgemein üblich, bei der Tonhöhenkorrektur die Formanten unbearbeitet, kann man eine Stimme oder ein Instrument über einen weiten Frequenzbereich transponieren, ohne dass das Ergebnis unnatürlich oder künstlich klingt. Transponiert man hingegen Formanten mit, erhält man den bekannten Micky-Maus-Effekt. Verschiebt man hingegen nur die Formanten, verändert man den Grundcharakter des Signals und verwandelt also beispielsweise eine Männer- in eine Frauenstimme.

Für alle diese Optionen besitzt Melodyne Editor das Formantwerkzeug, mit dem sich Formanten im Centbereich verschieben lassen. Und weil man beim Experimentieren mit so vielen Möglichkeiten schnell den Überblick verlieren kann, kehrt man per Doppelklick auf den Ursprungswert zurück.

DNA

Kommen wir nun zur wichtigsten Neuerung, an der das Team um Peter Neubäcker bereits seit Jahren herumschraubt: der Direct Note Access, kurz DNA. Bisher – und für alle Celemony-Produkte ohne DNA gilt das nach wie vor – war lediglich die Bearbeitung von monophonem Material, zum Beispiel Gesangs-, Bass- oder Melodielinien, möglich. Mit DNA wird Melodyne hingegen um die Fähigkeit bereichert, auch homogenes mehrstimmiges Material, beispielsweise ein Gitarrenriff, Pianoakkorde oder auch Rhythmisches, in seine Bestandteile zu zerlegen.

Note Assignment

Je nach Ausgangsmaterial arbeitet die DNA-Technologie bei der Analyse mehr oder weniger sauber, weshalb man gelegentlich nacharbeiten muss, bevor man an die klangliche Umgestaltung geht. Wichtigstes Werkzeug ist dabei das sogenannte „Note Assignment“, das quasi einen eigenen Editor innerhalb der Melodyne-Oberfläche öffnet. Mittels Doppelklick lassen sich zu viel erkannte Noten ausschalten oder „potenzielle“ Noten aktivieren. Melodyne Editor berücksichtigt dabei die wechselnde Energieverteilung im Spektrum und erhöht oder vermindert die Lautstärke der korrespondierenden Noten automatisch. Selbstverständlich lassen sich auch andere Fehlinterpretationen, wie versehentlich verbundene oder getrennte Noten, korrigieren. Ebenso kann man die Erkennungstoleranz mithilfe zweier Regler einstellen und den Algorithmus unempfindlicher oder sensibler auf Obertöne reagieren lassen. Fährt man mit dem Cursor nun durch das Bearbeitungsfenster, erscheinen schattenhaft weitere potenzielle Noten, die man per Doppelklick zum Leben erweckt. Sogenannte „Jalousien“, die man in den Höhen und Tiefen in das Spektrum ziehen kann, beschneiden zusätzlich den Frequenzbereich. Auf diese Weise schließt man die Erkennung unsinniger Noten aufgrund besonders prägnanter Obertöne schon im Vorfeld aus. Ähnlich verhält es sich beim Analysieren von rhythmischem Material, wenngleich sich die Bearbeitung hier auf das Setzen fehlender oder das Entfernen überzähliger Notentrennungen beschränkt. Doch Achtung: Note Assignment bezeichnet nur die Oberfläche, um im Melodyne Editor die Struktur der polyphonen Erkennung zu verändern. Die oben beschriebenen Melodyne-Funktionen der Klang- und Intonationskorrektur bleiben davon unberührt und stehen nach der Rückkehr in den Standardmodus wie gewohnt zur Verfügung.

Anwendung

Das kreative Potenzial der DNA-Technik ist schier grenzenlos. Problemlos schiebt man auch innerhalb eines Akkords Noten auf ihre richtige Position, transponiert einzelne Phrasen beziehungsweise ganze Stücke oder konvertiert Dur- in Moll-Akkorde. Darüber hinaus kann man Melodien durch Verschieben der Blobs vollständig umbauen, zeitlich stauchen oder dehnen oder ausschneiden und an beliebiger Stelle wieder einfügen. Doch bei Celemony denkt man schon weiter: Aufgrund von Zerlegungen innerhalb des Analyseprozesses sollen künftig auch unerreichbare Bestandteile der Audiodaten zugänglich werden. Transienten oder geräuschhafte Anteile behandelt der Algorithmus dabei getrennt. In einer der folgenden Programmversionen sollen sich diese gar durch geeignete, neue Werkzeuge gezielt beeinflussen lassen.

Fazit

Melodyne Editor ist ein wahrer Zauberkasten, der sich durch die Direct-Note-Access-Technologie an die Spitze der Programme zur Intonationskorrektur setzt. Und bereits nach kurzer Einarbeitung sind wir von den vielen kreativen Möglichkeiten, die die neue DNA-Technologie erschließt, begeistert. Ob bloße Tonhöhenänderung, Klangänderung mittels Formantverschiebung oder das Neuarrangieren ganzer Melodie- und Akkordfolgen: DNA eröffnet eine Vielzahl neuer Bearbeitungsmöglichkeiten und künftig Sängern, Instrumentalisten oder Produzenten ganz neue Freiheiten im Umgang mit dem „Werkstoff“ Audio.

Testergebnis
ProduktnameMelodyne Editor
HerstellerCelemony
Preis349 €
Webseitecelemony.de
Pro
  • richtungweisende DNA-Technologie
  • Pitchshifting, Timestretching, Formantkorrektur
  • Bearbeitung von vokalem, melodischem und rhythmischem Material
Bewertung
1sehr gut

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